Nummer 27 · 9. Juli 2022 Wochenblatt für den Mühlenkreis · Weserspucker
Die niederländischen Landwirte lassen ihrem Unmut derzeit freien Lauf: Schwere Proteste legen das Land lahm. Grund
sind existenzbedrohende Entscheidungen der Regierung. Symbolbild: Adobe Stock/mgpicturesprod
„Es geht um Existenzen“
Schwere Bauernproteste legen derzeit das Leben in den Niederlanden
lahm. Die Landwirte sind sauer: Um Umweltauflagen einzuhalten,
will die Regierung die Bauern im schlimmsten Fall enteignen und Berufsverbote
aussprechen. Kann das auch in Deutschland passieren?
MINDEN-LÜBBECKE. Im
Nachbarland gehen die
Bauern auf die Barrikaden:
Mit ihren Nutzfahrzeugen
verstopfen sie ganze Straßenzüge,
entzünden Heu- und
Stroh und entleerten kürzlich
gar einen Gülletank vor
dem Haus der Umweltministerin
Christianne van der Wal.
Grund für den Protest sind
Umweltauflagen – auf Kosten
der Landwirtschaft.
In einem im Internet verbreiteten
Video der „Farmers
Defence Force“ erklärt Sprecherin
Sieta van Keimpema,
dass die niederländische Regierung,
vertreten durch Umweltministerin
van der Wal,
die zu hohe Stickstoffbelastung
im Land senken will und
muss, dies aber hauptsächlich
dem landwirtschaftlichen
Sektor zuschreibt. „Um
die Stickstoffbelastung zu
verringern, sollen 30 Prozent
der Betriebe aufgeben“, erklärt
van Keimpema. Dafür
eröffne die Regierung drei
Möglichkeiten: Entweder
man gebe seinen Betrieb freiwillig
auf, man ließe sich auszahlen,
akzeptiere dafür jedoch
ein Berufsverbot – oder
würde im schlimmsten Fall
enteignet. „Man könnte auch
innerhalb des Landes umziehen
und dort einen neuen Betrieb
gründen. Dafür benötigt
man jedoch eine neue Genehmigung
– und die ist unmöglich
zu bekommen.“
Für die Landwirte in den
Für hohe Nitratbelastungen wird die Düngung verantwortlich
gemacht. Symbolbild: F. Pottkamp
Niederlanden geht es um die
Existenz. Abhängig davon, in
welchem Teil des Landes sie
ihren Betrieb haben, soll die
Stickstoffbelastung um bis zu
95 Prozent verringert werden
– ein Wert, der besonders
für Viehbetriebe unmöglich
zu erreichen ist und das
Ende eines Großteils der niederländischen
Landwirtschaft
bedeuten würde.
Kein Wunder also, dass die
Bauern sich schweren Protests
bedienen. Aber: Auch in
Deutschland werden Bauern
immer wieder mit der Anschuldigung
konfrontiert, für
hohe Stickstoffbelastungen
der Böden zu sorgen. Müssen
also auch sie bald um ihre
Existenz fürchten?
„Vorab: Ich kann die Reaktion
der niederländischen
Kollegen voll und ganz verstehen
und nachvollziehen“,
sagt Rainer Meyer, Vorsitzender
des Minden-Lübbecker
Landwirtschaftsverbandes.
„Enteignung passt nicht ins
Rechtssystem. Allerdings ist
die Problemlage in den Niederlanden
auch noch viel intensiver,
als sie hier in
Deutschland ist“, so der
Kreislandwirt. Hierzulande
sei die Nitratproblematik seit
20 Jahren bekannt. „Doch
während uns seitens der Politik
Daumenschrauben angelegt
werden, produziert die
Niederlande gemessen am
Anteil Nutzfläche deutlich
mehr Stickstoff“, weiß Meyer.
Die Regierung um van der
Waal ist unter Zugzwang, es
muss etwas geschehen.
„Das ist auch in Deutschland
so. Auch hier versucht die
Politik, die Stickstoffbelastung
zu verringern – zum
Beispiel mit dem Insektenschutzpaket,
das Herbizide
und Insektizide in Naturschutzbereichen
verbietet.
Man ist im Austausch. In den
Niederlanden hat man den
kooperativen Weg längst verlassen.“
Zudem dürfe man nicht
vergessen, dass die Landwirtschaft
das lebensmittelproduzierende
Gewerbe ist.
„Man sollte sich die Frage
stellen, ob Europa es sich
überhaupt leisten kann, auf
Nahrungsmittelproduktion
zu verzichten. Wir haben genug
Geld, um Lebensmittel
extern einzukaufen. In Nordafrika
geht das nicht. Wir haben
hier die besten Böden. Die
Entscheidung ist moralisch
höchst verwerflich und löst
die Problematik nicht mal im
Ansatz“, betont Meyer nachdrücklich.
Auch Christoph Kerlen kann
die Gemütslage der Niederländer
nachvollziehen – verurteilt
die Proteste aber in
ihrer Härte: „Steine schmeißen
geht gar nicht.“ Der
Landwirt aus Minden, der
einen Familienbetrieb mit
rund 350 Sauen und Ferkelaufzucht
betreibt, erinnert
sich: „In Deutschland hat es
vor rund zwei Jahren ebenfalls
Demonstrationen bezüglich
der Einschränkungen
in der Düngung gegeben.
Viele haben heute schon resigniert.
In den sozialen Medien
kursiert bereits der
Hashtag ,#rettesichwerkann’
– Landwirte geben auf
und suchen neue Wege, leider.
Die Niederländer haben
da offenbar noch Hoffnung.“
Er persönlich vermutet die
Ursache für die harschen Proteste
in der „ideologisch gesteuerten
Gesetzgebung“:
„Es gibt wissenschaftliche
Erkenntnisse: In der Vergangenheit
hat man Fehler gemacht
– Besserung kann sich
einstellen, wenn bedarfsgerecht
gedüngt wird. Das
möchte aber niemand hören.
Die Landwirtschaft bekommt
den schwarzen Peter zugeschoben
– dabei kann sie sich
transformieren und anpassen.“
Und auch Hermann Glammeier,
Großlandwirt aus Porta
Westfalica, sympathisiert
mit den niederländischen
Kollegen: „Ich finde es gut,
dass protestiert wird – dass
gesagt wird: Es reicht. Bis hier
hin, und nicht weiter.“ In
Deutschland hätte man bereits
die Situation, dass Teilflächen
aus der Produktion
genommen würden – ab
kommendem Jahr vier Prozent
der gesamt zur Verfügung
stehenden Nutzfläche.
„Die sollen dann über den
Winter – bis zur nächsten Bewirtschaftung
– brach liegen.
Wo soll das noch hinführen?“
FLZ
Kreislandwirt Rainer Meyer: „Kann Europa es sich
überhaupt leisten, auf Nahrungsmittelproduktion zu
verzichten?“ Foto: WLV
”Die Entscheidung
ist moralisch höchst verwerflich.“
MIT SPITZER FEDER
Nahrungsmittel wachsen
nicht im Supermarktregal
In unserem Nachbarland
Niederlande herrscht derzeit
das pure Chaos: Mit ideologischen
Gesetzgebungen
versucht die Regierung, die
Landwirtschaft in die Knie
zu zwingen; droht gar mit
Enteignung und Berufsverbot.
Die Bauern wehren sich,
kämpfen um ihre Existenz.
Auch in Deutschland wird
ideologische Denke in der
Landwirtschaftspolitik mehr
und mehr deutlich.
Hey, Politik: Vergiss nicht,
dass Lebensmittel nicht im
Supermarkt „wachsen“. Für
Brot braucht es Getreide, und
dafür braucht es fruchtbare
Böden und guten Dünger.
Und es braucht Landwirte,
die Spaß an ihrer Arbeit haben,
und von ihrer Arbeit leben
können.
Denn klar ist: Ohne Bauern
wär der Kühlschrank leer.
Warum man seine Grundversorgung
nicht zu 100 Prozent
auf Im- und Exporte
bauen sollte, bedarf dieser
Tage wohl keines Exempels,
meint Ihr Weserspucker FLZ
Für Nachschub sorgen
Rotes Kreuz ruft zur Blutspende auf
BAD OEYNHAUSEN. Das Deutsche
Rote Kreuz ruft am
Dienstag, 12. Juli, in Volmerdingsen
zur Blutspende auf.
Blutspender sind von 16.30 bis
19.30 Uhr im Evangelischen
Gemeindehaus, Pfarrer-
Brünger-Straße 1, willkommen.
Wenn im Sommer das
Wetter nach draußen oder in
die Ferne lockt, sinkt die Bereitschaft,
Blut zu spenden.
Besonders chronisch Kranke
und Krebspatienten sind aber
dringend auf eine fortlaufende
Versorgung mit Blutpräparaten
angewiesen.
Doch manche Blutpräparate
sind nur wenige Tage haltbar.
Die Krankenhäuser können
deshalb keinen Vorrat
anlegen. Der kontinuierliche
Nachschub an gespendetem
Blut bleibt also sehr wichtig.
Der DRK-Blutspendedienst
bittet, sich vorab unter
www.blutspende.jetzt einen
Blutspendetermin zu reservieren.
So kann jeder ohne
Wartezeit und unter höchstmöglichen
Sicherheits- und
Hygienestandards Blut spenden.
Eine 3G-Regel auf Blutspendeterminen
gibt es nicht
mehr. Die Verpflichtung zum
Tragen eines medizinischen
Mund-Nasen-Schutzes besteht
jedoch weiterhin.
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